Der lange Weg, Teil II - Das deutsche Gesetzgebungsverfahren

In unserem letzten Artikel haben wir anhand der Whistleblower-Richtlinie das europäische Gesetzgebungsverfahren beleuchtet. Wie dargestellt handelt es sich bei einer Richtlinie um eine Norm, die von den Mitgliedstaaten zunächst in nationales Recht umgewandelt werden muss. Daher wird in diesem Teil der zweiteiligen Serie das deutsche Gesetzgebungsverfahren näher erläutert.

Der lange Weg im Gesetzgebungsverfahren

Kompetenzverteilung

Die Grundlagen des Gesetzgebungsverfahren werden durch das Grundgesetz bestimmt. In Deutschland können Gesetze entweder durch den Bund oder durch die Länder erlassen werden. Grundsätzlich sind nur die Länder zur Gesetzgebung befugt. Allerdings kennt das Grundgesetz Ausnahmen. Die Kompetenzen des Bundes erteilt das Grundgesetz ausschließlich, das heißt nur der Bund darf Gesetze für bestimmte Lebensbereiche erlassen, oder konkurrierend. Konkurrierende Gesetzgebung bedeutet, dass die Länder nur dann tätig werden dürfen, wenn der Bund sein Recht zur Gesetzgebung nicht ausgeübt hat.

Häufig berühren regelungsbedürftige Sachverhalte mehrere Kompetenzen. Zwar muss in solchen Fällen entweder der Bund oder das Land für ihr gesamtes Gesetzgebungsverfahren zuständig sein. Allerdings sind kleinere Übergriffe in fremde Kompetenzen zulässig, wenn diese nur die Vorbereitung oder Durchführung einer Regelung betreffen. Juristen sprechen dann von Annexkompetenz.

Der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes betrifft beispielsweise das Arbeitsrecht, das Recht der Wirtschaft und das Strafrecht. Für all diese Materien hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz. Er ist also für den Erlass des Hinweisgeberschutzgesetzes zuständig.

Initiativrecht

Das Gesetzgebungsverfahren des Bundes spielt sich zwischen drei staatlichen Institutionen ab: dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung. Anders als auf europäischer Ebene darf jedes dieser sogenannten Organe Vorschläge für neue Gesetze machen. In der Praxis kommen die Entwürfe für Gesetze jedoch häufig aus der Bundesregierung, da sie mit den Ministerien einen sehr kompetenten fachlichen Unterbau besitzt.

So stammt der Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz aus dem Bundesministerium der Justiz. Geht ein solche Gesetzesvorlage von der Bundesregierung aus, muss sie den Entwurf zunächst dem Bundesrat zuleiten. Dieser darf dann zum Entwurf Stellung nehmen.

In dieser Phase befindet sich der Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz zur Zeit. Typischerweise nehmen auch betroffene Berufsgruppen nach der Veröffentlichung eines Gesetzentwurfs Stellung, für das Hinweisgeberschutzgesetz beispielsweise der Deutsche Anwaltsverein. Die Frist zur Stellungnahme von Ländern und Verbänden läuft am 11.05.2022 ab.

Abstimmungen

Anschließend stimmt der Bundestag über den Gesetzentwurf ab. Dabei wird ein Gesetz im Regelfall mit der Mehrheit der abstimmenden Abgeordneten beschlossen. In besonderen Fällen muss aber ein besonderes Quorum erfüllt werden. Soll beispielsweise das Grundgesetz geändert werden, müssen zwei Drittel aller Abgeordneten zustimmen.

Nimmt der Bundestag einen Vorschlag an, muss der Bundesrat beteiligt werden. Dieser besteht aus Abgeordneten, die von der Regierung jedes Bundeslands ausgewählt werden. In besonderen Fällen muss der Bundesrat einem Gesetzesvorhaben zustimmen. Dieses Verfahren nennt man daher Zustimmungsverfahren. Um ein solches Verfahren handelt es sich auch bei dem Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes.

In den meisten Fällen kann der Bundesrat allerdings nur binnen zwei Wochen Einspruch gegen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz erheben. Diesen Einspruch kann der Bundestag wiederum überstimmen. Statt einem Vorhaben zuzustimmen oder es abzulehnen, kann der Bundesrat auch den Vermittlungsausschuss einberufen. Dieser besteht aus Abgeordneten von Bundestag und Bundesrat und soll zwischen den verschiedenen Institutionen Einigung herstellen.

Ausfertigung

Schließlich ist noch erforderlich, dass das Gesetz ausgefertigt und verkündet wird. Dafür zuständig ist der Bundespräsident. Er muss das Gesetz nach dessen Verabschiedung unterzeichnen. Bei der Nichteinhaltung des Gesetzgebungsverfahren oder offensichtlichen Verstößen gegen das Grundgesetz darf er die Ausfertigung verweigern. Anschließend wird das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Website des deutschen Bundestags bietet jedoch ein Online-Archiv, in dem sich bereits im Vorhinein sämtliche parlamentarischen Schritte eines Gesetzesvorhabens nachvollziehen lassen.

Am Ende des Gesetzgebungsverfahrens tritt ein Gesetz in Kraft. Erst ab diesem Zeitpunkt entfaltet es seine Wirkung. Das Grundgesetz sieht vor, dass in den Gesetzen selbst bestimmt wird, an welchem Datum sie in Kraft treten. Fehlt eine solche Bestimmung, wird es zwei Wochen nach der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wirksam.

Fazit

Das deutsche Gesetzgebungsverfahren ähnelt in seinem Ablauf und den beteiligten Akteuren stark dem der Europäischen Union. Statt des institutionellen Dreiecks von Kommission, Parlament und Ministerrat interagieren nun Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Im Unterschied zur europäischen Ebene haben in Deutschland jedoch alle drei Organe ein Initiativrecht. Die heiße Phase der Abstimmung hat der Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes indes noch nicht erreicht. Vor allem die Billigung durch den Bundesrat stellt eine entscheidende Hürde dar, weil die Konstellationen der Landesregierungen von der im Bund regierenden Ampel-Koalition abweichen.

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